Wenn Menschen über „Investieren“ reden, denken viele sofort an Aktien, ETFs oder Dividenden. Aber stell dir einmal vor, du würdest deine Investmentreise so beginnen, wie jeder Mensch zur Welt kommt: komplett nackt.
Nicht im übertragenen Sinne. Wirklich nackt.
Keine Hose, kein Werkzeug, kein Wissen, kein Wasser. Nur du – und die Erkenntnis, dass dein erster Kauf an der Börse vermutlich nicht dein dringendstes Problem ist.
Genau hier beginnt der Naked Man Effect: Die Idee, dass eine Investition erst dann sinnvoll ist, wenn sie zu deiner aktuellen Lebenslage passt. Und manchmal bedeutet das eben, zuerst eine Hose zu kaufen.
Denn wenn du frierst, bringt dir keine Aktie der Welt Wärme. Der MSCI World kann steigen, wie er will – du bleibst trotzdem kalt. Die sinnvollste Investition ist dann nicht ein Depot, sondern Kleidung. Kein finanzielles Plus, aber ein sehr spürbarer Nutzen: Komfort, Schutz und ein gewisser sozialer Mindeststandard.
Verschiebt man dieselbe Situation in die Wüste, würde die Investition sofort einen anderen Charakter haben. Dort wäre warme Kleidung eine Katastrophe. Was du brauchst, ist Wasser – sonst ist die Rendite deiner gesamten Existenz in wenigen Stunden bei null. Auch hier bringt dir kein Aktienkurs etwas. Manchmal ist die beste Investition schlicht die, die dein Überleben sichert.
Sobald du warm, hydratisiert und gesellschaftlich akzeptabel bekleidet bist, wird es interessanter. Jetzt kannst du über Werkzeuge nachdenken – vielleicht über einen Drucker. Klingt unscheinbar, fast komisch, aber ein Drucker kann der Beginn eines kleinen Geschäfts sein. Er druckt Rechnungen, Etiketten oder sogar Produkte wie Grußkarten. Ein Drucker ist also keine Ausgabe, sondern ein Werkzeug, das dir Geld verdienen kann. In gewisser Weise druckst du dir damit tatsächlich dein eigenes Einkommen.
Irgendwann stellt der „nackte Mann“ – der inzwischen hoffentlich nicht mehr ganz so nackt ist – fest, dass die größte Investition nicht der Drucker, die Kleidung oder das Wasser war. Sondern das Wissen, das er sich angeeignet hat. Ein Kurs, ein Buch, ein Mentor – all das kann langfristig mehr einbringen als die meisten finanziellen Anlagen. Wissen nutzt sich nicht ab und erzeugt wieder und wieder Nutzen.
Und sogar die Dinge, die keinen finanziellen Ertrag liefern – ein Computer zum Zocken, ein gutes Buch, ein Abend mit Freunden – sind Investitionen. Nicht in Geld, sondern in Ausgleich, mentale Gesundheit und die Fähigkeit, langfristig überhaupt mit klarem Kopf investieren zu können.
Der Naked Man Effect macht deutlich: Eine Investition ist gut, wenn sie deinem Leben dient. Manchmal ist das eine Aktie. Manchmal ein Werkzeug. Manchmal ein Stück Wissen. Und manchmal einfach eine Pause.
Investieren ist nicht das starre Befolgen von Regeln, sondern das bewusste Entscheiden: „Was brauche ich jetzt, damit ich wachsen kann – finanziell oder persönlich?“
Wer das versteht, investiert automatisch klüger als viele, die nur dem Depot hinterherlaufen. Denn wer nackt beginnt, muss erst einmal nicht das perfekte Portfolio suchen. Sondern erst die Dinge, die verhindern, dass er friert, verdurstet oder sich unnötig abmüht.
Und genau dort beginnt wahres Investieren.
